
Wen rette ich – und wenn ja, wie viele?
Über Triage und Verteilungsgerechtigkeit
Adriano Mannino
Auf dem Höhepunkt der Corona-Krise sahen sich Intensivmediziner*innen mit der Frage konfrontiert: Wen rette ich, wenn die Ressourcen zu knapp werden? Diese tragische Situation erfordert eine Auswahl – die sogenannte Triage. Sie entstammt der Kriegs- und Katastrophenmedizin und wird wissenschaftlich kontrovers diskutiert. Die Medizin, die Ethik, die Juristerei und die Gesundheitsökonomie sind sich dabei oft radikal uneinig. Darf man Menschenleben abwägen? Sind jüngere Personen im Konfliktfall älteren mit schlechterer Prognose vorzuziehen? Dürfen Patient*innen im Notfall auch von Beatmungsgeräten getrennt werden?
Darüber hinaus stellen sich Fragen der gesellschaftlichen "Makrotriage": Wie sind Risikogruppen zu bestimmen, die Anspruch auf besondere Schutzressourcen haben? Welchen “Preis” darf ein Leben haben, etwa in der Entwicklungszusammenarbeit? Leben wir in einer Notstandswelt, die uns täglich eine Triage aufnötigt, wenn wir Geld ausgeben oder Zeit aufwenden?
Wie könnte eine gerechte Verteilung von Überlebenschancen bei knappen medizinischen Ressourcen aussehen, wie sie im Frühjahr 2020 in Oberitalien gegeben war? Mannino macht dazu fundierte Vorschläge, mit denen sich auseinanderzusetzen lohnt. Auch wenn nicht zu hoffen ist, dass uns die Pandemie mit Entscheidungen dieser Art konfrontiert, bietet sie die Gelegenheit, uns über unsere Vorstellungen einer gerechten Verteilung von Lebenschancen klar zu werden und kritisch zu prüfen, wie weit wir ihnen im politischen Alltag gerecht werden. Manninos Buch bietet dazu viel gute Philosophie – für wenig Geld!
Prof. Dr. Dieter Birnbacher
Manninos leidenschaftlich formulierte Ideen zur Ethik der Pandemie waren für mich die Überraschung des Tages. Ethik heißt ja auch praktische Philosophie, und Mannino macht ihr alle Ehre, wie man auch in zwei zum Thema bei Reclam erschienenen Büchern nachlesen kann.
Armin Thurnher, Falter
Covid-19: Was in der Krise zählt
Über Philosophie in Echtzeit
Nikil Mukerji & Adriano Mannino
Was tun, wenn existenzielle Entscheidungen ohne sichere Datengrundlage und in größter Eile zu treffen sind? Auch Experten sind vor Denkfehlern nicht gefeit. Hier kann Philosophie in Echtzeit helfen. Denn Erkenntnistheorie, Risikoethik und Entscheidungstheorie können beim Ausloten des Ungewissen Klarheit und Orientierung bieten. War Covid-19 vorhersehbar? Woran hätte man sich trotz schlechter Datenlage und widersprüchlicher Expertenmeinungen orientieren können? Was zählt in der Krise – und was nicht?
Den Band schließt ein Ausblick ab, was wir für unsere Zukunft aus diesem Fall lernen können, etwa für Diskussionen um die Katastrophenrisiken des Klimawandels und der Künstlichen Intelligenz. Eine Quellensammlung zum Buch findet sich hier.
Neuigkeiten
Triage – Im Ethik-Podcast der Universität Bern interviewen Anna Goppel und Andreas Cassee Adriano Mannino zum Triage-Buch (30min.)
"Zuerst alle milderen Mittel ausschöpfen" – Adriano Mannino zur Impfpflicht-Debatte im Deutschlandfunk Kultur
Unsere ungerechte Impf-Triage – Gastbeitrag von Adriano Mannino, Korbinian Rüger, Nikil Mukerji und Albrecht von Müller in der FAZ
"Wir haben politisch krass versagt" – Adriano Mannino und Nikil Mukerji in der TAZ